Scrum gilt als das am weitesten verbreitete agile Framework. Doch in vielen Unternehmen wird es nicht als flexibles Rahmenwerk, sondern als starrer Prozess mit zahlreichen Zeremonien angewendet. Das Ergebnis ist oft alles andere als agil: Statt schneller Anpassungsfähigkeit und Kundennutzen stehen Prozesse, Meetings und Werkzeuge im Mittelpunkt. In diesem Beitrag möchte ich die typischen Probleme dysfunktionalen Scrums aufzeigen und erklären, wie Lean Software Development von Mary Poppendieck helfen kann, die wahre Agilität wiederherzustellen.
Die Symptome dysfunktionalen Scrums
Viele Teams erleben Scrum nicht als befreiend, sondern als ein Korsett, das sie einengt. Typische Anzeichen für ein dysfunktionales Scrum sind:
- Meetings als Selbstzweck
- Tägliche Stand-ups werden zu langatmigen Status-Updates anstelle kurzer, fokussierter Synchronisationen.
- Retrospektiven verkommen zu Pflichtveranstaltungen, ohne dass echte Verbesserungen abgeleitet werden.
- Sprint Planning als Mini-Wasserfall
- Teams versuchen, alle Details für den gesamten Sprint zu planen, wodurch Flexibilität verloren geht.
- Backlogs werden bis ins kleinste Detail durchgeplant, anstatt iterativ angepasst zu werden.
- Zu viel Prozess, zu wenig Selbstorganisation
- Teams dürfen nicht eigenverantwortlich entscheiden, sondern folgen starren Regeln.
- Anpassungen an die eigene Arbeitsweise sind nicht erlaubt, da „Scrum das so vorschreibt“.
- Product Owner als Backlog-Manager statt Visionär
- Anstatt Produktvision und Strategie zu gestalten, verwaltet der Product Owner nur Tickets.
- Nutzerfeedback wird oft ignoriert, weil das Backlog als festgelegte To-do-Liste verstanden wird.
- Velocity-Druck und falsche KPIs
- Der Fokus liegt auf Story Points statt auf echtem Kundennutzen.
- Teams werden daran gemessen, wie viel sie liefern, nicht daran, welchen Wert sie schaffen.
Lean Software Development als Alternative
Lean Software Development, geprägt durch Mary und Tom Poppendieck, bietet einen alternativen Ansatz, um echte Agilität zu leben. Dabei stehen folgende Prinzipien im Vordergrund:
- Wert maximieren, Verschwendung eliminieren
- Fokus auf Kundennutzen anstatt auf starre Prozesse.
- Meetings, Dokumentation und Regeln nur dort einsetzen, wo sie echten Mehrwert bieten.
- Schnelle Lieferungen und kontinuierliches Feedback
- Kleine, inkrementelle Releases statt großer Sprints mit festen Umfängen.
- Ständige Rückkopplung mit echten Nutzern.
- Autonome, selbstorganisierte Teams
- Teams haben Entscheidungsfreiheit über Prozesse, Werkzeuge und Prioritäten.
- Der Fokus liegt auf Teamverantwortung, nicht auf rigiden Rollen.
- Qualität in den Prozess integrieren
- Automatisierung und kontinuierliche Integration verhindern technische Schulden.
- Entwicklung und Betrieb arbeiten eng zusammen (DevOps-Mentalität).
- Respekt vor Menschen
- Teams werden nicht über Story Points und Velocity gesteuert, sondern über Outcome.
- Vertrauen und Eigenverantwortung stehen im Mittelpunkt.
Fazit: Scrum entkernen, Lean verinnerlichen
Scrum muss kein starres Korsett sein. Wenn Unternehmen die agilen Prinzipien anstelle von reinen Prozessen in den Mittelpunkt stellen, kann Scrum wieder seinen ursprünglichen Zweck erfüllen. Lean Software Development bietet hier wertvolle Impulse, um den Fokus zurück auf Kundennutzen, Flexibilität und echte Agilität zu lenken.
Die wichtigste Erkenntnis: Agil sein ist wichtiger als Agil machen.